EU: Othmar Karas über CETA

Liebe Freunde und Interessierte an der Europapolitik!

Das seit 2009 verhandelte Handels- und Investitionsabkommen der EU mit Kanada (CETA) liegt seit mehr als zwei Jahren fertig auf dem Tisch. Am 30. Oktober wurde beim EU-Kanada-Gipfel das Handelsabkommen der 28 Mitgliedstaaten mit Kanada unterzeichnet. Am 1. Jänner 2017 soll es nach einer Abstimmung im Europaparlament in Kraft treten.

Eine vor kurzem veröffentlichte Studie der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGFE) zeigt folgendes Bild: Während 73 % der befragten Österreicher das Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada ablehnen, stehen ihm 11 % positiv gegenüber. Gleichzeitig zeigt die ÖGFE-Umfrage aber, dass sich 78 % der Befragten „eher schlecht“ über die Inhalte von CETA informiert fühlen. 17 % geben das Gegenteil an. Dieses Bild deckt sich mit meinen Erfahrungen aus E-Mails, Diskussionen und Gesprächen.

Die SPÖ-Mitgliederbefragung zu CETA und die vor kurzem beendete CETA-Blockadehaltung einer einzigen europäischen Region zeigen eine gefährliche demokratiepolitische Entwicklung auf. Anstatt die Ängste und Sorgen durch Information zu nehmen, werden sie von Politikern und Medien aus Feigheit, Absicht, Bequemlichkeit und Taktik geschürt und verstärkt. Leider bewegen wir uns weg von einer „Verantwortungsdemokratie“ hin zu einer „Stimmungsdemokratie“. Wer nur Schlagzeilen produziert und Ruhe haben will, flüchtet aus seiner Verantwortung und löst kein einziges Problem.

Um weiterhin einen Beitrag zur Aufklärung zu leisten, möchte ich den vorliegenden Newsletter dem Kanada-Handelsabkommen widmen. Darin finden Sie Hintergrund-informationen zu diesem brandaktuellen Thema, über das das Europaparlament aller Voraussicht nach noch vor Weihnachten abstimmen wird.

OK für Europa!

Ihr Othmar Karas

 

Bei CETA sind alle unsere Bedingungen erfüllt – haarscharf an Blamage vorbeigeschrammt!

In Zeiten, in denen die Welt immer näher zusammenrückt, Zeitzonen, Entfernungen und Sprachunterschiede eine zunehmend geringere Rolle spielen und wir voneinander – positiv und kritisch – gemeint, immer abhängiger werden, müssen wir uns die Frage stellen: Wollen wir die Globalisierung aktiv mitgestalten oder wollen wir uns den Standards, die andere Global Player wie China und Indien setzen, zukünftig beugen? In den kommenden Jahrzehnten steht die Europäische Union (EU) vor einem großen Wandel: Während wir Anfang des 20. Jahrhunderts noch 20 % der Weltbevölkerung stellten, sind wir derzeit knapp 7 %. Bis Ende des 21. Jahrhunderts werden wir ohne Migration weniger als 4 % ausmachen. Auch der Anteil erwerbsfähiger Personen wird in Europa bis zum Jahre 2050 Prognosen zufolge um 15 % zurückgehen. Wenn man bedenkt, dass die EU derzeit nur ein Viertel des Exportvolumens außerhalb des Binnenmarktes erwirtschaftet, sind wir gut beraten Handelsabkommen mit anderen Staaten zu verhandeln und unsere Bedingungen klar zu definieren und vor allem zu kommunizieren. Österreich und Europa stehen immer stärker im globalen Wettbewerb. Wir müssen die Globalisierung nach unseren europäischen Standards regeln und gestalten wollen. Österreich hat immer von Handelsabkommen profitiert. Zwei Drittel unseres Wohlstandes werden außerhalb Österreichs erwirtschaftet. Wohlstand heißt Wachstum, Beschäftigung, Wettbewerbsfähigkeit und soziale Sicherheit. Gestalten wir bewusst, was auf uns zukommt. Denn wer sich abschottet, verliert!

Kanada ist einer der ältesten und derzeit zwölftwichtigster Handelspartner der EU. Das Wachstumspotential ist noch lange nicht ausgeschöpft. Eine Auswirkungsstudie der Europäischen Kommission (http://bit.ly/29KJeEe) sieht in dem Handelsabkommen zwischen EU und Kanada (Comprehensive Economic Trade Agreement = CETA) große Wachstumspotentiale: So soll der EU-weite Handel mit Waren und Dienstleistungen durch CETA um 23 % steigen und rund 12 Mrd. € zusätzlich pro Jahr zum unionsweiten BIP beitragen. Prognosen zufolge bringt CETA auch zusätzliche 200.000 Arbeitsplätze (Standard-Interview von Kommissionspräsident Juncker vom 30.10.2016: http://bit.ly/2eWjfY2). In Zeiten, in denen die EU Wachstum, Beschäftigung und soziale Sicherheit dringend benötigt, können wir diese Zahlen nicht einfach ignorieren. Auch wenn oftmals der Anschein erweckt wird, dass das Handelsabkommen mit Kanada im Jahre 2016 plötzlich vom Himmel gefallen sei, ist dieses vielmehr das Ergebnis mehr als siebenjähriger Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und Kanada.

Übrigens: Den Auftrag dafür bekam die Europäische Kommission von den 28 Mitgliedstaaten einstimmig erteilt (2009: http://bit.ly/1RI8Vhj; 2011 – Erweiterung des Verhandlungsmandats aus 2009 auf Investitionen: http://bit.ly/1YOtFJG) sowie des Europäischen Parlaments (2011: http://bit.ly/2eg0MGR). Die Verhandlungsmandate enthielten klare Bedingungen, die alle erfüllt wurden. Daher war immer zu erwarten, dass der Rat und das Europäische Parlament dem Handelsabkommen mit Kanada zustimmen werden. „Wer sich selbst nicht ernst nimmt, wird nicht ernst genommen.“

Zu oft wird verschwiegen, dass sofort nach dem technischen Abschluss der Verhandlungen der vorläufige CETA-Abkommenstext (http://bit.ly/1uMnTss) im September 2014 veröffentlicht wurde. Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang auch das oftmals vorgebrachte Argument der Intransparenz. CETA liegt seit mehr als zwei Jahren auf dem Tisch – für jedermann online verfügbar! Auch sofort nach Abschluss der juristischen Überprüfung wurde der finale CETA-Text (http://bit.ly/1ScSoGS) der Öffentlichkeit am 29. Februar 2016 präsentiert. Seit Juli 2016 liegt er in allen Amtssprachen, unter anderem auch in Deutsch (http://bit.ly/2eCAJKv), vor.

CETA im Kurzüberblick

Aus zahlreichen Gesprächen, Diskussionen und E-Mails kenne ich die Ängste und Sorge der Menschen rund um CETA gut. Ich nehme diese auch sehr ernst. Wie bereits oft von mir erwähnt: Mein Ja war immer an die Wahrung unserer europäischen Lebensmittel-, Umwelt-, Sozial-, Sicherheits- und Rechtsstaatlichkeitsstandards geknüpft. Genau aus diesem Grund habe ich die mir am häufigsten gestellten Fragen aufgegriffen und dem CETA-Text gegenübergestellt. Der Vergleich mit dem CETA-Text macht sicher: Unsere Bedingungen sind klar erfüllt! CETA ist das beste Handelsabkommen, das die Europäische Union je ausgehandelt hat.

  • 99 % aller Zölle werden beseitigt.
  • Für sensible Agrarprodukte wie Rindfleisch, Zucker Weizen wurden Importquoten vereinbart.
  • Das Selbstregulierungsrecht des Staates („Right to regulate“) ist festgeschrieben.
  • Der Schutz der Sozial-, Umwelt-, Verbraucherschutz- und Lebensmittelsstandards ist klar verankert.
  • Die Daseinsvorsorge wie zum Beispiel die Wasserversorgung bleibt unangetastet.
  • 145 geographische EU-Herkunftsangaben (zum Beispiel „Steirisches Kürbiskernöl“) werden geschützt.
  • Der Investorenschutz wird auf neue Beine gestellt. Das NEIN zu privaten Schiedsgerichten wurde durchgesetzt!

Verlieren wir mit CETA den Schutz unserer Standards?

Im Gegenteil! In CETA ist ein klares Bekenntnis zum Schutz von Konsumenten- und Arbeitnehmerrechten sowie Sozial- und Umweltstandards verankert. In den Kapiteln „Handel und Nachhaltigkeit“ (Art. 22; de 386-392), „Handel und Arbeit“ (Art. 23; de 393-409), „Handel und Umwelt“ (Art. 24; de 409-431) verpflichten sich die EU und Kanada ausdrücklich zum Schutz von Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards sowie nachhaltigem Wirtschaften. Die Aufrechterhaltung des garantierten Schutzniveaus ist in Art 23.4 (de 397) sowie in Art. 24.5 (de 412) festgeschrieben: Handel und Investitionen dürfen nicht dazu dienen, das garantierte Schutzniveau aufzuweichen oder zu unterwandern.

Auch ist die Errungenschaft der EU, das Vorsorgeprinzip, wonach trotz fehlender Gewissheit bereits vorbeugend gehandelt wird, in der Präambel sowie unter Art. 22.1 (de 386) CETA-Textes festgeschrieben. Zusätzlich ist in Art. 28.3 (de 452) eine Schutzbestimmung, die generell handelsbeschränkende Maßnahmen zum Schutz des menschlichen Lebens, Gesundheit, Umwelt, Tieren und Pflanzen erlaubt, verankert.

Das sogenannte Selbstregulierungsrecht („Right to regulate“), das Staaten erlaubt, die Regelungs-, Gesetzgebungs- und Politikgestaltungsaufgaben selbstständig wahrzunehmen, ist unter anderem explizit im Bereich Arbeitsschutz in Art. 23.2 (de 394) sowie im Bereich Umweltschutz in Art. 24.3 (de 411) formuliert.

Für sensible Agrarprodukte werden in Anhang 2-A (Anhang/ de 1) zollfreie Importquoten vereinbart:

  • Ractopamin-freies Schweinefleisch: Einschleifregelung über 5 Jahre, von 12.500 t im 1. Jahr auf 75.000 t ab dem 6. Jahr
  • Hormonfreies Rind- und Kalbfleisch: Einschleifregelung über 5 Jahre, von 7.670 t im 1. Jahr auf 45.840 t ab dem 6. Jahr
  • Weizen: 100.000 t
  • Zuckermais 8.000 t ab dem 6. Jahr

Zusätzlich werden 145 europäische geographische Herkunftsangaben durch CETA geschützt. Dem Antrag Österreichs Steirischen Kren, Steirisches Kürbiskernöl und Tiroler Speck zu schützen, wurde entsprochen. Dies ist in Anhang 20-A (Anhang/ de 460) verankert.

Werden wir durch CETA gezwungen unser Wasser zu privatisieren?

Nein! In den Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge fallen etwa das öffentliche Gesundheitswesen, die Wasserversorgung, das Bildungswesen oder das öffentliche Verkehrswesen. Privatisierungen von öffentlichen Dienstleistungen („Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“) liegen im Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten und liegen damit außerhalb des Anwendungsbereiches des EU-Wettbewerbsrechts. Keines der jemals von der EU ausverhandelten Handelsabkommen verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Liberalisierung oder Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen.

Im CETA-Text werden für Dienstleistungsbereiche – und insbesondere zum Schutz der Daseinsvorsorge – zusätzlich vielfältige Schutzregeln und Ausnahmen formuliert. Zum einen ist in Annex II, Anhang 9 (de 97) ein allgemeiner Schutzvorbehalt für öffentliche Versorgungsdienstleistungen vorgesehen. Zum anderen gibt es weitreichende spezielle Schutzvorbehalte für zum Beispiel Wasserversorgung (Annex II, Anhang 9, de 101), Bildung (Annex II, Anhang 9, de 110) sowie Gesundheits- und soziale Dienstleistungen (Annex II, Anhang 9, de 111).

Warum brauchen wir einen Investorenschutz?

Investitionen stellen einen entscheidenden Faktor für Wachstum und Beschäftigung dar, vor allem in der EU, deren Wirtschaft sehr auf die Offenheit gegenüber Handel und Investitionen angewiesen ist. Investitionen sind unerlässlich für die Schaffung und den Erhalt von Arbeitsplätzen.

Unternehmen, die im Ausland investieren, können auf Probleme stoßen, die sich – aus den unterschiedlichsten Gründen – nicht immer im Rahmen der nationalen Rechtsordnung lösen lassen. Diese Probleme reichen von den seltenen, aber dramatischen Fällen gewaltsamer Enteignungen durch das Gastland, über Diskriminierung, Enteignung ohne angemessene Entschädigung, Entzug der Gewerbeerlaubnis und Missstände im Gaststaat, wie beispielsweise eine Verhinderung internationaler Kapitaltransfers.

Auf europäischer Ebene bestehen etwa 1.400 von den EU-Mitgliedstaaten seit den 1960er abgeschlossene Handelsabkommen mit Investitionsschutzklauseln, in Österreich existieren 62. Der Investorenschutz ist somit nichts Neues! Die in letzter Zeit gehäuften, teils sehr umstrittenen Klagen von Investoren gegen Staaten zeigen aber den Verbesserungsbedarf deutlich auf. Um den Missbrauch einzudämmen, brauchen wir neue Regelungen!

CETA stellt einen klaren Bruch zum alten Schiedsgericht-System dar! Im Rahmen der juristischen Überprüfung, die über anderthalb Jahre in Anspruch genommen hat, wurde der reformierte Investorenschutz entsprechend den Vorstellungen der Europäischen Union adaptiert und eine neue Art von unabhängigen und transparenten Schiedsverfahren etabliert.

Die weitreichenden Reformen beinhalten:

  • Aufnahme einer expliziten Klausel zum „Right to regulate“ (Art. 8.9/ de 100)
  • Einführung eines bilateralen Investitionsgerichts und einer Berufungsinstanz (Art. 8.27/ de 128; Art. 8.28 Abs. 1-9e/ de 132ff )
  • Ernennung der Richter mit strengen Anforderungen an Qualifikation, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit (Art. 8.27 Abs. 1-16/ de 128ff, Art. 8.30/ de 136)
  • Präzise definierte Investitionsschutzstandards: zB (indirekte) Enteignung oder „gerechte und billige Behandlung“ (Art. 8.10ff/ de 102, Art. 8.12 Abs. 1/ de 105 und Annex II/ Anhang 8-A/ de 136)
  • Verfahrenserleichterungen für klein- und mittelständische Unternehmen (KMU) (Art. 8.23/ de 125; Art 8.27/ de 130)
  • Sicherstellung höchstmöglicher Verfahrenstransparenz (Art. 8.36/ de 142)
  • Maßnahmen gegen „Treaty Shopping“ und missbräuchlichen Klagen (Art 8.32/ de 139; Art. 8.33/ de 140)
  • Selbstverpflichtung der EU und Kanada auf einen multilateralen Investitionsgerichtshofs hinzuarbeiten (Art. 8.29/ de 135)

Werden mit CETA unsere KMU wettbewerbsmäßig verdrängt?

Nein! Unsere kleinen und mittleren Unternehmen sind der Motor und das Rückgrat der Europäischen Wirtschaft. 99 % aller Unternehmen innerhalb der Europäischen Union sind KMU und haben damit einen wesentlichen Einfluss auf die Wirtschaftsstruktur der EU. Obwohl die EU derzeit die größte Volkswirtschaft der Welt ist, dürften in den nächsten 10 bis 15 Jahren Prognosen zufolge 90 % des weltweiten Wirtschaftswachstums außerhalb der Europäischen Union generiert werden. Das bedeutet, dass auch außerhalb des Binnenmarktes großes Potential für unsere Wirtschaft und unsere Unternehmen liegt. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass zwar 25 % der europäischen KMU in andere EU-Mitgliedstaaten exportieren, jedoch nur 13 % außerhalb der EU ihre Waren und Dienstleistungen anbieten. Genau hier knüpft CETA an.

Neben der Abschaffung von Zöllen, die bei CETA insgesamt 99 % (100 % Industriewaren, 95 % bei Agrarwaren) betragen, sorgt die signifikante Reduktion von nichttariffären Handelshemmnissen besonders im Hinblick auf den Abbau des Bürokratie- und Administrationsaufwandes, für einen verbesserten Marktzugang sowie gleichen Wettbewerbsbedingungen. So enthält Kapitel 4 „Technische Handelshemmnisse“ in Art. 4.1 und 4.2 vor allem Bestimmungen, die zu vermehrter Transparenz und zu einem engeren Kontakt zwischen der EU und Kanada führen sollen. Zudem wird im Abkommen festgehalten, dass die Kooperation zwischen den Normungsgremien sowie ihren Prüf-, Zertifizierungs- und Akkreditierungsorganisationen weiter ausgebaut werden soll. Dies alles kommt unseren KMU zu Gute!

Kommt mit CETA TTIP durch die Hintertür?

Nein! Für jedes Abkommen erteilen der Rat und das Europäische Parlament jeweils ein eigenes Verhandlungsmandat. Leider wird CETA oftmals mit dem Transatlantische Handels- und Investitionsabkommen (Transatlantic Trade and Investment Partnership = TTIP), dem geplanten Abkommen der EU mit den Vereinigten Staaten, in einen Topf geworfen. Wie bereits erwähnt, liegt im Gegensatz zu TTIP der CETA-Text seit zwei Jahren fertig ausverhandelt, öffentlich für jedermann einsehbar auf dem Tisch und entspricht allen im Verhandlungsprozess eingebrachten Bedingungen Österreichs und der EU.

Bei TTIP hingegen sind zwar die Verhandlungsmandate des Rates (http://bit.ly/1wFp8cl) und des Europäischen Parlaments (23.05.2013: http://bit.ly/1dPzILm; 08.07.2015: http://bit.ly/1LdVdCW) bekannt, jedoch ist auch nach 15 Verhandlungsrunden noch kein einziges der 23 Kapitel fertig. Die schleppenden Fortschritte in den Verhandlungen zeigen: So schnell wird es kein TTIP geben. Das ist auch gut so. Für mich geht Qualität immer vor Tempo! Erst wenn der TTIP-Text vorliegt, kann er auf Herz und Nieren geprüft werden. Meine Bedingungen habe ich in meinem Sondernewsletter zu TTIP (http://bit.ly/1DrJsSW) bereits im Juli 2015 klar gemacht. Diese sind nach wie vor aufrecht. Wenn der finale TTIP-Text nicht unseren Anforderungen entspricht, wird es von uns keine Zustimmung geben.

CETA als Beispiel einer „gefährlichen demokratiepolitischen Entwicklung“

Wie bereits erwähnt, ist dem Kanada-Abkommen ein mehr als siebenjähriger Prozess vorausgegangen. Seit mehr als zwei Jahren ist CETA ausverhandelt und der Abkommenstext für jedermann online verfügbar. Jede einzelne Forderung der EU und Österreichs an CETA ist erfüllt worden. Die Sorgen und Ängste der Bürgerinnen und Bürger wurden aufgegriffen und berücksichtigt. Leider haben die Mitgliedstaaten in der Information der Bürgerinnen und Bürger versagt. Es hat kein Mitgliedstaat, auch Österreich nicht, rechtzeitig aufgeklärt, warum CETA wichtig und unter welchen Bedingungen überhaupt vorstellbar ist. Jahrelang sind die Bürgerinnen und Bürger alleine gelassen worden. Kurz vor Abschluss des Prozesses wurde in Österreich innerhalb der SPÖ eine Befragung iniitiert, an der nur 7,5% der Mitglieder teilnahmen. Auch haben Österreich und andere Staaten mit Zusatzerklärungen, die nichts anderes als Lesehilfen sind, gespielt. Für mich ist das eine Flucht aus der staats- und europapolitischen Verantwortung!

Mir geht es bei CETA aber nicht nur um das Handelsabkommen an sich, sondern auch um den Politikstil in Europa und die Handlungsfähigkeit der EU. Dass wenige Tage vor der Unterzeichnung eine einzelne Region mit knapp 0,45 % Außenhandel und 3,6 Millionen Einwohner aus innenpolitischen Gründen die gesamte EU mit insgesamt ihren 510 Millionen Bürgerinnen und Bürgern in Geiselhaft nehmen kann, obwohl alle Mitgliedstaaten ihre Zustimmung für das beste je ausverhandelte EU-Handelsabkommen bereits signalisiert haben, zeigt den riesengroßen Konstruktionsfehler der EU. Für eine handlungsfähige EU müssen wir in Zukunft von dem lähmenden Einstimmigkeitsprinzip Abstand nehmen und die doppelte Mehrheit – das heißt die Mehrheit der Staaten und die Mehrheit der Bürger sowie die Mitentscheidung des Europaparlaments zum Grundprinzip machen. Die Entscheidung muss dort getroffen werden, wo auch die Kompetenz und Verantwortung liegt. Die Handelsverträge, die das Herzstück unserer Außenpolitik sind, sind seit dem Lissabon-Vertrag klar auf europäischer Ebene geregelt. Wenn durch Handelsabkommen nationale Kompetenzen berührt werden, dann ist es unerlässlich, dass nach der Abstimmung auf europäischer Ebene, die nationalen Parlamente über ihren Bereich abstimmen. Meine diesbezüglichen Interviews mit Radio Berlin-Brandenburg vom 24.10.2016 sowie in der ZIB 24 vom 24.10.2016 finden Sie unter den nachstehenden Links: http://bit.ly/2e8dchl sowie http://bit.ly/2f7SAIM.

Wie geht’s weiter mit CETA?

Nachdem das wallonische Regionalparlament aus innenpolitischen Gründen seine Zustimmung zum Abkommen verweigert und so die Unterzeichnung verzögert hatte, votierte vergangenen Freitag eine große Mehrheit der Abgeordneten (58 Zustimmung, 5 Ablehnung) für die Zustimmung Belgiens zu CETA.

Kurz darauf gaben alle Mitgliedstaaten ihre Zustimmung in einem schriftlichen Verfahren, sodass der vor kurzem abgesagte EU-Kanadagipfel für vergangenen Sonntag, 30.11.2016, wieder angesetzt werden konnte. Dort wurde der Abkommenstext von beiden Vertragsparteien, der EU und Kanada, offiziell unterzeichnet.

Nun entscheidet das Europäische Parlament über das Inkrafttreten von CETA. Im Dezember 2016 soll die Abstimmung im Europaparlament stattfinden. Bei Zustimmung des Europäischen Parlaments, werden jene Teile des Abkommens die ausschließlich EU-Kompetenz betreffen, vorläufig aller Voraussicht nach ab Jänner 2017 angewandt.

Danach entscheiden die nationalen Parlamente über jene Bereiche, die die Kompetenzen der Mitgliedstaaten betreffen.

Gerne werde ich auch weiterhin über den Verlauf beim EU-Kanada-Abkommen berichten!

Ein regelmäßiges Update zu CETA finden Sie auf meinen Social Media-Kanälen Facebook: othmar.karas; Youtube: othmarkaras; Twitter: @othmar_karas; sowie auf meiner Homepage unter www.othmar-karas.at.


Mag. Othmar Karas, M.B.L.-HSG
Mitglied des Europäischen Parlaments
Europäisches Parlament, Rue Wiertz 60, B-1047 Bruxelles
Tel. +32 (2) 28 - 47627, Fax +32 (2) 28 - 49627
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Internet: www.othmar-karas.at